1. Getragene Kinder weinen weniger!
Eigentlich ein absoluter Grund, um sein Baby zu Tragen der keiner weiteren Argumentation mehr bedarf.
Hunziker und Barr untersuchten dieses Phänomen in einer Studie, indem sie 99 Mutter-Kind-Paare mit Babys bis zu einem Alter von 12 Wochen begleiteten. Dabei teilten sie die Mütter mit ihren Kindern in eine Trage- und eine Kontrollgruppe auf. Die Säuglinge der Tragegruppe weinten bis zu 51% weniger!
Mehr dazu findest du im folgenden Link: Vermehrtes Tragen reduziert das Schreien von Säuglingen: eine randomisierte kontrollierte Studie - PubMed (nih.gov)
Tragekinder sind also zufriedener, entsprechend sind es die Eltern mit großer Wahrscheinlichkeit auch. Die Autoren der oben genannten Studie weisen außerdem darauf hin:
"Der relative Mangel an Tragen in unserer Gesellschaft kann bei normalen Säuglingen zu Schreien und Koliken führen."
Sind es also tatsächlich die berühmten 3-Monats-Koliken, die Babys und Eltern im ersten Lebensabschnitt belasten? Zumindest kann man diesen entgegenwirken, indem man sein Baby trägt. Weniger weinen, weniger Luft im Bauch! Apropos Bauchweh...
2. Tragen hilft bei Krankheit
Gleich eines vorweg, wann immer du das Gefühl hast, dein Kind ist krank oder leidet - ab zum Arzt! Tragen kann (!) helfen aber nicht heilen und ist leider keine Allzweckwaffe!
Gegen Blähungen und Bauchweh kann Tragen aber durchaus hilfreich sein. Zum einen wirkt die Körperwärme wie eine Wärmflasche, zum anderen wird das Bäuchlein durch deine Bewegungen sanft massiert. Die angehockte Haltung in der Tragehilfe mit angezogenen Knien erleichtert zusätzlich das Pupsen. Hand aufs Herz - wir kennen alle diese eine Position ;-)
Bei fiebernden Babys kann die Temperatur durch Haut-zu-Hautkontakt um bis zu 1°C gesenkt werden. Dieses Phänomen wird so erklärt, dass die Haut der tragenden Person verhältnismäßig kühler ist, als die Haut des fiebernden Babys. In etwa so, als legt dir jemand eine kühle Hand auf die Stirn, wenn dir zu warm ist. Du kühlst dein Baby also durch deine eigene Körpertemperatur runter. Wichtig dabei ist jedoch, dass keine Kleidung zwischen euren Körpern ist.
Zusätzlich schlafen Babys durch die Nähe und Geborgenheit besser, was bekanntlich sehr hilfreich bei Krankheit ist. Zudem wird bei Körperkontakt Oxytocin und Serotonin ausgeschieden, was zusätzlich schmerzlindernd wirkt.
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Mal ganz davon abgesehen - die Streicheleinheiten und das "Umsorgt-werden" ist bei Krankheit doch immer schön. Egal ob Baby oder Erwachsener.
Der Temperaturausgleich wirkt übrigens nicht nur bei Fieber, sondern auch im Sommer bei Hitze. Durch das Schwitzen kühlen wir unsere eigene Haut ab und durch unsere kühlere Haut kühlen wir das Baby. Ob man das Gefühl von Körperkontakt im Sommer mag, ist eine andere Frage.
3. Menschen sind Traglinge!
In der Biologie werden Tierkinder in verschiedene Jungentypen eingeteilt. Dabei wurde zunächst lange Zeit zwischen Nesthockern und Nestflüchtern unterschieden.
Nesthocker kommen meist blind und unbehaart auf die Welt. Sie sind gänzlich von ihren Eltern abhängig und darauf angewiesen, im sicheren "Nest" (oder Bau) zu verweilen und warten darauf, gefüttert zu werden. Nesthocker sind beispielsweise Kaninchen, Füchse oder Vögel.
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Nestflüchter sind kurz nach der Geburt bereit, der Mutter oder der Herde zu folgen und sind bei Geburt relativ weit entwickelt. Sie haben die Augen nach der Geburt geöffnet, haben ein Fell oder Federkleid, können hören, riechen, sich fortbewegen und Nahrung selbstständig aufnehmen. Als Beispiele wären da Pferde, Elefanten und Hirsche.
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Schaut man sich so ein kleines Menschenbaby an, könnte man zunächst meinen, dass wir zu den Nesthockern zählen. Wir kommen nackt und absolut abhängig auf die Welt. Nicht in der Lage uns selbst zu ernähren oder uns fortzubewegen.
Schaut man aber genauer hin, stellt man schnell fest, dass wir eigentlich ziemlich kompetente Babys haben. So kann ein Baby nach der Geburt selbst die mütterliche Brust suchen und durch Reflexe sogar bäuchlings an der Mutter "hochkrabbeln", bis es selbstständig die Brust erreicht (sog. breast-crawl) - von wegen nicht in der Lage sich selbst zu ernähren!
Außerdem haben Menschenbabys die Augen nach der Geburt auch offen, können bereits hören und sehr gut riechen. Und vermutlich hatten wir vor sehr langer Zeit auch mal mehr Körperbehaarung.
Keine der beiden Kategorien mag also richtig passen. Kurzerhand kam 1970 ein weiterer Typus hinzu: der Tragling.
Unterschieden wird hierbei nochmal in passive und aktive Traglinge. Aktive Traglinge halten sich dabei mithilfe von Reflexen selbst fest (wie z.B. Affen oder der Ameisenbär), während passive Traglinge von den Eltern im Beutel getragen werden (z.B. das Känguru).
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Der Mensch verfügt über keinen Bauchbeutel, in dem wir unser Kind tragen. Dafür aber unsere Kinder über einige Reflexe, die ein Festklammern im Fell der Mama ermöglicht hätten.
Da wäre zum einen der Moro-Reflex. Dabei streckt das Kind plötzlich beide Arme von sich, spreizt die Finger weit auf und schließt sie dann zu Fäusten. Ideal, um sich an Mamas haarigem Rücken festzukrallen. Ausgelöst wird der Moro-Reflex z.B. bei zu schnellem Hinlegen, plötzlichen Bewegungswechseln oder lauten Geräuschen. Dann gibt es noch den Greifreflex, wodurch Babys immer so süß den Finger von Mama und Papa umgreifen und festhalten. Ausgelöst wird der Greifreflex durch Berührung der Handinnenflächen und ist zusätzlich mit dem Saugreflex verbunden. Deshalb greifen Babys auch gerne beim Trinken nach der Brust/Flasche, um sich beim Trinken an der Mama festzuhalten.
Ein weiteres Anzeichen dafür, dass Menschen Traglinge sind, ist das automatische Einnehmen der Anhock-Spreiz-Haltung, wenn man Babys hochhebt ("Newborn-Scrunch"). Dabei zieht das Baby die Beine an, sodass die Knie ungefähr auf Bauchnabelhöhe und die Oberschenkel etwas abgespreizt sind. Zusätzlich fällt bei Babybeinchen auf, dass die Unterschenkel leicht O-förmig sind - perfekte Voraussetzungen um auf der Hüfte anzuhocken und getragen zu werden.
Babys erwarten also sogar von uns getragen zu werden. Und das mit gutem Grund! Tatsächlich leben wir noch gar nicht so lange in sicheren Häusern mit Einkaufsmöglichkeiten und frischem Wasser an jeder Ecke. Irgendwo zu liegen, hat vor nicht allzu langer Zeit für ein Baby bedeutet auszukühlen, gefressen oder sogar vergessen zu werden! Der sichere Tod also. Wer ein Baby hat, das sich absolut nicht gerne ablegen lässt, hat also ein äußerst kompetentes Exemplar, dass dafür sorgt nicht vom Säbelzahntiger aufgefressen zu werden - herzlichen Glückwunsch! Und das meine ich ernst. Kluges Kind!
4. Selbstbestimmt im Alltag
Viele Eltern kennen alltägliche Situationen, in denen sich das Baby entweder überhaupt nicht ablegen lässt oder nach spätestens 30 Minuten wieder wach wird. Für das Baby ist dieses Verhalten absolut sinnvoll und sehr schlau, schließlich sorgt es dadurch für sein Überleben!
Wir Eltern können davon allerdings ganz schön genervt sein. Sätze die mit "Ich muss doch eigentlich noch..." beginnen, schwirren dann oft durch die Köpfe. Oder sogar "Mensch, lass mich doch wenigstens mal..."
Dabei ist es natürlich keineswegs unser Baby, das uns so belastet. Sondern dieses ganze Drumherum.
Die Wäsche, der Einkauf, der Staub auf den Schränken, die Kalkflecken im Bad, noch mehr Wäsche, Termine, Tiere die gefüttert werden müssen, Rechnungen die keine Rücksicht auf weinende Babys nehmen, Oma hab ich auch schon lange nicht mehr angerufen, von Sport gar nicht erst anzufangen und nebenbei soll man noch was fürs Klima tun, sich ausgewogen ernähren, frisch kochen und gut aussehen!
Alles problemlos machbar, wenn man viele Menschen um sich hat die bereit sind zu helfen und deren Hilfe ich auch annehmen möchte. Nicht jede/r dürfte beispielsweise meine Schmutzwäsche waschen. Und nicht jede/r durfte mein Babys halten.
In den meisten Haushalten ist es aber nun mal so, dass ein Elternteil die meiste Zeit mit Kind(ern) alleine zu Hause ist, während die andere Bezugsperson arbeitet, Oma und Opa selbst noch berufstätig sind und wir viel zu hohe Ansprüche an uns selbst und unsere Haushaltsführung haben. Ich zumindest habe immer das Gefühl, dass ich nicht mehr denken kann, wenn Unordnung um mich herum herrscht. Außerdem gibt mir ein ordentliches Zuhause ein Gefühl von Sicherheit und "ich hab alles im Griff".
Durch das Tragen meiner Kinder habe ich das Gefühl, Dinge selbstbestimmt erledigen zu können. Selbst Lärm scheint durch den Körperkontakt und die Geborgenheit kein Problem zu sein. Einfach den Staubsauger anschmeißen - Kind schläft weiter. Ich muss weniger Rücksicht auf Schlafenszeiten nehmen und muss Tätigkeiten nicht ständig unterbrechen, weil das Kind auf den Arm will. Denn es wird ja bereits getragen.
Vorsicht bitte beim Kochen! Trägst du dein Kind vor dem Bauch, achte gut auf spritzendes Fett, oder heißes Wasser wenn du z.B. Nudeln ins Wasser kippst und schütze dein Baby ggf. davor oder trage es auf dem Rücken.
Ich möchte an der Stelle darauf hinweisen, dass das Tragen nicht einfach dazu benutzt werden soll, um deine Effektivität zu steigern. Druck auf Eltern gibt es schon genug! Und mal ehrlich, niemanden interessiert es, ob auf dem TV-Board ein bisschen Staub liegt. Aber es gibt nun mal Dinge, die erledigt werden müssen. Und es gibt Dinge, die man tun möchte. Das Tragen kann dabei helfen, diese Dinge ganz entspannt zu tun ohne ständig in "Bereitschaft" zu sein, weil das Baby gleich wieder aufwachen könnte...
Es gibt übrigens kaum Dinge, die man mit Baby am Körper nicht machen kann. Selbst einige Sportarten sind möglich!
Was absolut nicht geht ist Fahrrad fahren, Joggen, Skifahren und Eislaufen! Klingt logisch oder? Tatsächlich gibt es leider immer wieder Menschen, die solche gefährlichen Dinge tun.
Aber Malen, Nähen, Gartenarbeit, DIY-Projekte, in Ruhe telefonieren, mit Freunden abends am Lagerfeuer sitzen, Wandern, und so viel mehr ist problemlos mit einem Tragekind möglich!
5. Entspannt unterwegs
Ich packe meinen VW-Polo und nehme mit...
Keinen Kinderwagen! Sonst wäre der Kofferraum voll. Auf der Rücksitzbank noch zwei Isofix-Stationen inkl. Reboarder, da wird's schnell ziemlich eng. Im Vergleich dazu hat ein Tragetuch ein ziemlich kleines Packmaß.
Mag sein, dass nicht Jede/r einen Polo fährt sondern viel Platz hat, aber alleine diese Packerei würde mich auf Dauer nerven. Ich hab mittlerweile sogar ein "Auto-Tuch" nur für unterwegs und zur Not an der Garderobe immer einen vorsortierten Ringsling hängen. Allzeit bereit also. Kinder ins Auto, losfahren, ankommen.
Ausflüge sind durch das Tragen wesentlich entspannter. und du bist absolut wetter- und geländeunabhängig. Auch wenn viele Hersteller versprechen, ihr Kinderwagen sei geländegängig! Als ob. Spätestens im Waldlehrpfad in Schernfeld erreicht jeder Kinderwagen inkl. elterlicher Nerven seine Grenzen. Mal ganz davon abgesehen, dass ein Kinderwagen je nach Bodenbeschaffenheit das Auto auch ziemlich schnell dreckig macht. Egal ob Wandern in den Bergen, eine Klammbesichtigung oder ein schöner Schneespaziergang - du musst dir im Voraus keine Gedanken machen, ob die Wege geeignet sind. Ganz schön praktisch, wie ich finde.
Noch eine kleine Geschichte dazu:
Als unsere erste Tochter schon etwas älter war, wollten wir spontan einen Ausflug auf die Burg in Eichstätt machen. An diesem Tag haben wir beschlossen den Kinderwagen mitzunehmen. Dass der Weg vom Parkplatz zur Burg hoch schon wegen Umbauarbeiten umgeleitet und als "nicht barrierefrei" deklariert wurde, hat uns nicht aufgehalten. Am provisorischen Kassenhäuschen haben wir freudig unsere Tickets gekauft und bezahlt. Anschließend wurden wir freundlich darauf hingewiesen, dass wir unseren Kinderwagen hier an der Kasse stehen lassen können. Zur Burg hoch und ins Museum wären es ab hier nämlich exakt 100 Stufen. Da ist uns erst mal kurz das Gesicht entgleist. Unsere Tochter konnte zu dem Zeitpunkt noch nicht laufen und mit geparktem Kinderwagen am Kassenhäuschen hätten wir den gesamten Besuch unser Kind irgendwie auf dem Arm tragen müssen - nein danke. Blöderweise hatten wir aber unser Tickets schon gekauft, die auch nicht mehr zurückgenommen werden konnten. Wäre uns mit der Trage oder dem Tuch nicht passiert.
Auch für besonders neugierige Kinder bietet sich das Tragen an. So können bereits die kleinsten ganz wörtlich alles auf (erwachsener) Augenhöhe entdecken und die Eltern sparen sich beim Zoobesuch das ständige "über-den-Zaun-heben".
Noch ein Vorteil bei Ausflügen: Richtung Ausgang tragt ihr euer Kind bequem zum Auto statt angestrengt auf einem Arm. Ausflüge machen müde. Sowohl die Eltern, als auch die Kinder. Und immer wieder begegnet es mir, dass erschöpfte Eltern erschöpfte Kinder die letzten Meter zum Auto tragen und zusätzlich den leeren Kinderwagen schieben. Muss nicht sein. Beide Hilfsmittel ergänzen sich wunderbar. So kann ich immer eine Tragehilfe zusätzlich dabei haben. Kinder nicht zu tragen ist nämlich sowieso keine Option.
Noch ein Grund mehr, warum Eltern entspannter unterwegs sind, wenn sie ihre Kinder tragen: man kann überall aufs Klo!
Hört sich erst mal seltsam an, aber stell dir vor, du bist mit einer Freundin im Café verabredet und hast dein Baby dabei. Deine Freundin schreibt dir, dass sie sich um 15 Minuten verspätet. Und du musst jetzt aufs Klo. Das Klo ist aber ziemlich klein und ein Kinderwagen passt nicht mit ins Klo, also wohin mit dem Baby?
Na? Naaaa...?
6. Frühförderprogramm für Babys
"Wenn du das Kind ständig mit dir rumschleppst, lernt es nie laufen!"
Solche und ähnliche Aussagen halten sich leider hartnäckig. Natürlich soll das Baby auch Zeit auf dem Boden verbringen, um sich motorisch gut entwickeln zu können. Aber warum gehen wir davon aus, dass das Kind nicht einfach bescheid sagt, wenn es gerade nicht getragen werden will? Denn das können Babys und Kleinkinder ganz wunderbar. Kinder sind neugierig und wollen stets den nächsten Meilenstein erreichen. So auch das Drehen, Krabbeln und Laufen. Warum sollte das Tragen die Babys dabei behindern?
Im Rahmen einer klinischen Untersuchung von 2010 wurde geklärt, ob das Tragen von Babys und Kleinkindern zu Haltungsschäden im Schulalter führt. Kurzfassung: Nein! Es konnte kein Zusammenhang nachgewiesen werden.
Nachlesen kannst du alles hier: 1000935817.pdf (dropbox.com)
Babys hängen - sofern sie korrekt getragen werden - keineswegs einfach nur schlaff und passiv in der Trage. In den ersten Tagen und Wochen ist das Tragen ein wunderbares Workout für die Hals- und Nackenmuskulatur, ohne die Muskeln zu überfordern. In der aufrechten Haltung können Babys ihren Kopf von einer Seite zur anderen drehen oder zum Gesicht der tragenden Person hochgucken. Wird der Kopf zu schwer, kann das Baby sein Köpfchen einfach wieder ablegen. Versucht ein Baby das Köpfchen aus dem Liegen anzuheben, benötigt es dafür durch die Schwerkraft viel mehr Kraft, wodurch das "Training" sogar länger dauern kann. Wenn du anfangen möchtest zu trainieren, nimmst du ja auch nicht gleich die 30kg Hantel.
Ein weiterer Vorteil ist, das Tragekinder keinen Plattkopf entwickeln. Laut Kinderarzt und Buchautor Herbert Renz-Polster hat in Deutschland jedes (ansonsten gesunde) 5. Kind einen platten Hinterkopf als Folge eines kulturellen Pflegefehlers. Soll heißen, unsere Kinder liegen zu viel. In Bettchen, Stubenwägen, Wippen, Babyschalen, Kinderwägen Federwiegen. Das Tragen kann eine Verformung des Köpfchens verhindern bzw. wieder verbessern.
Wenn du möchtest, kannst du hier den Artikel des Kinderarztes nachlesen:
Neben der Halsmuskulatur fördert das Tragen auch die gesamte Rumpfmuskulatur und somit genau die Muskeln, die später für das Krabbeln und Laufen erforderlich sind. Daneben trainiert das Tragen den Gleichgewichtssinn der Kinder, weil sie immer wieder die Bewegungen der tragenden Person mitmachen und ausgleichen.
Durch das Tragen ist ein Baby im Alltag hautnah dabei. Es riecht, hört, sieht und spürt viel mehr als in einem abgeschirmten Stubenwagen. Egal ob gerade gegessen oder abgespült wird. Alles ist spannend und will mit sämtlichen Sinnen erforscht werden. Ganz nebenbei erleben getragene Babys und Kleinkinder mehr Interaktion mit ihren Eltern. Es ist nahezu unmöglich, ein Kind vor der Brust zu ignorieren. Also spricht man ganz automatisch mehr mit den Kindern und die Kinder reagieren darauf wiederum mehr. Tragen fördert also tatsächlich auch das Sprachvermögen der Kinder.
Sogar für die soziale Entwicklung ist das Tragen hilfreich. Kinder in der Trage können sich in sozialen Situationen problemlos bei ihren Bezugspersonen rückversichern, ob "Freund oder Feind" vor ihnen steht. Das geschieht zum einen, indem die Kinder unsere Gesichter lesen. Lächeln wir den fremden Postboden an der Tür entspannt und freundlich an, wird das Kind wahrscheinlich ebenfalls entspannt reagieren. Zum anderen spüren Kinder anhand unserer Körperspannung und unserem Herzschlag, ob eine Situation bedrohlich oder ganz entspannt ist und lernen dadurch nach und nach ihr Umfeld selbstständig einzuschätzen.
7. Kapazität für Geschwisterkinder
Als ich mein zweites Baby bekam, hatte ich starken Liebeskummer. Ich vermisste meine kleine "Große" so sehr und niemand hatte mich darauf vorbereitet. Obwohl sie doch permanent um mich und das Baby herumwuselte und Küsschen verteilte, vermisste ich sie. Ich vermisste uns. Denn jetzt war da noch ein Baby, das mich rund um die Uhr brauchte und sich natürlich nicht gerne ablegen ließ. Zu dem Zeitpunkt war meine erste Tochter erst 1 1/2 Jahre alt.
Aber das sollte mich nicht aufhalten! Nach dem ausgiebigen (!) Wochenbett konnte ich wieder auf dem Spielplatz Schaukeln, Ewigkeiten Bücher lesen, puzzeln, malen und unsere Routine wie gewohnt fortsetzen. Einkaufen mit "2 unter 2"? Absolut kein Problem. Ausflüge mit "2 unter 2"? Überhaupt kein Stress. Tatsächlich war ich in den nächsten Monaten sehr viel mit beiden Kindern alleine unterwegs. Egal ob in Poing im Wildtierpark oder im Sealife München. Das Baby lebte dabei die meiste Zeit auf meinem Rücken und war dort absolut zufrieden. Und ich hatte beide Hände frei! Die Große musste nicht oft warten, sie musste nicht leise sein weil das Baby aufwachen könnte und sie konnte sich wann immer sie wollte an mich kuscheln, weil kein Baby "im Weg" war. Gleichzeitig hatte ich mein Baby immer am Körper und konnte auch mit meiner zweiten Tochter den ganzen Tag kuscheln.
Manchmal kam und kommt es immer noch vor, dass beide gleichzeitig getragen werden möchten. Nun, wer kann der kann ;-)
An der Stelle frage ich mich gerade, ob in meinen Polo eigentlich ein Geschwisterwagen gepasst hätte...?
8. Bindung und Bedürfniserfüllung
Wie anfangs bereits erklärt, sind Menschenbabys sogenannte Traglinge. Babys haben also ein Bedürfnis danach, getragen zu werden. So wie sie als Säuglinge auch ein Saugbedürfnis haben. Und so wie wir Babys Milch nach Bedarf geben, können wir auch jederzeit das Bedürfnis nach Nähe und Sicherheit geben!
Möchte ein Säugling nicht saugen, so ist das immer ein Anlass zur Sorge und muss zumindest kurzfristig beobachtet werden. Genauso gibt es diverse Gründe, warum ein Baby nicht getragen werden möchte. Manchmal bedarf es dafür nur ein paar Feinjustierungen, manchmal passt der Zeitpunkt nicht und manchmal möchten die Eltern auch nicht tragen - was absolut ok ist - aber Babys spüren das und lehnen als Reaktion darauf das Getragen-werden ab.
Ob dein Baby richtig sitzt, kannst du anhand diesem Beitrag überprüfen:
Wie bereits erwähnt, interagieren Eltern automatisch mehr mit Kindern die getragen werden. Eltern lernen ihre Kinder besser und schneller kennen, weil sie automatisch mehr und intensiver Zeit mit ihren Kindern verbringen. Und Babys lernen dadurch, dass die tragende Bindungsperson zuverlässig auf die Bedürfnisse eingeht und kommunizieren mehr. Dadurch wiederum fällt es Eltern leichter, zeitig auf die Bedürfnisse zu reagieren.
Die tragende Bezugsperson nimmt das Befinden des Babys prompt und ganzheitlich wahr, ohne ständig innehalten und "lauschen" zu müssen, ob das Baby im Laufstall nur kurz meckert oder sein Bedürfnis durch lautstarkes Weinen zum Ausdruck bringen muss.
Oben steht, dass Kinder die getragen werden, wesentlich weniger weinen. Das liegt unter anderem daran, dass sie gar nicht erst weinen müssen. Getragene Kinder brauchen diese Anstrengung des Weinens gar nicht erst auf sich nehmen, weil die tragende Person sofort merkt, ob das Baby gerade aufwacht, schläft, nach der Brust sucht oder grundsätzlich unruhig wird. Die Kommunikation zwischen Bezugsperson und Baby ist also wesentlich effektiver! Und weil so prompt Bedürfnisse wahrgenommen werden, fühlen sich Eltern (auch die Papas!) kompetenter und handlungsfähiger und trauen sich als Eltern mehr zu. Dr. Renz-Polster berichtet über eine Studie aus den 90er Jahren, die das Bindungsverhalten von Müttern und ihren Babys untersucht, indem sie einer Gruppe eine Tragehilfe für die Babys gab und der anderen Gruppe gängige Babysitze. Nach wenigen Monaten reagierten die tragenden Mütter im Vergleich zur Kontrollgruppe sensibler auf die Bedürfnisse ihrer Babys. Nach einem Jahr wurde bei 83% der getragenen Babys eine sichere Bindung nachgewiesen, wohingegen bei den Babys mit den Kindersitzen 38% eine sichere Bindung aufwiesen.
Hier kannst du den Artikel nachlesen: Tragen aus kinderärztlicher Sicht | kinder-verstehen.de
Es gibt natürlich weitaus mehr als nur 8 Gründe, um dein Kind zu tragen. Alleine die Tatsache, dass getragene Babys weniger weinen, ist schon Grund genug!
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